Berliner Zeitung, 24.10.98

Polizeiermittler glauben nicht an Selbstmord

Anerkanntes Computergenie erhängt in Britz gefunden

Zuerst sah alles für die Ermittler wie Selbstmord aus: Nach einem Anruf fanden sie am Donnerstag nachmittag in einem Park an der Gutschmidtstraße in Britz die Leiche eines 26 jährigen Neuköllners. Der seit mehreren Tagen vermißte Boris F. hatte sich an einem Baum erhängt. Keine Spuren für ein Verbrechen. Trotzdem hat am Freitag die Mordkommission den Fall Übernommen. "Wir vermuten ein Kapitalverbrechen", so der Leiter der 3. Mordkommission, Klaus Ruckschnat.

Der Grund für die Ermittlungen: Bisher haben die Beamten nicht die Spur eines Motivs gefunden, das Boris F. in den Selbstmord getrieben haben könnte. Der Informatiker hatte weder persönliche noch berufliche Probleme. Am 17. Oktober hatte er das Haus der Eltern verlassen und wollte spazierengehen. "Die Mutter sagte uns, daß Boris ein sehr zuverlässiger Mensch war", so Ruckschnat.

Am Tatort selber konnten die Beamten bisher keine Spuren für ein Verbrechen finden, auch die Obduktion brachte keine neuen Erkenntnisse. "Trotzdem könnte der Mann umgebracht worden sein", so der Ermitler. Die Fahnder vermuten vor allem im beruflichen Hintergrund ein Mordmotiv: Boris F. gilt in Computerkreisen als wahres Genie für Entschlüsselungstechniken. Er hatte im Jahre 1995 als erster die Telefonkarten der Telekom geknackt. "Ein solches Genie hat auch immer Feinde", so Ruckschnat. Die Polizei sucht nach Personen, die Angaben zu dem Umfeld des Toten machen können. Hinweise unter der Telefonnummer 69 93 27 41. (mg)

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